galerie@19

 EXPERIMENTA 4
Ausstellungsdauer : fr. 28 okt. – so. 13. nov. 2016

gemeinsam mit dem befreundeten künstler und galeristen norbert böckmann und seiner galerie “neue flügel für ikarus” werden wir dieses jahr in der galerie@19 die internationale ausstellung EXPERIMENTA 4 zeigen.

wir präsentieren sechs internationale fotografen ihre arbeiten zum stand der experimentellen fotografie:
Katharina Ira Allenberg – Deutschland
Ville Kansanen – FInnland
Vasilis Karkatselis – Griechenland
Hassan Meer – Oman
Jürgen O. Olbrich – Deutschland
Daniel Schieben – Deutschland

das „experimentelle“ in unserer ausstellung, der EXPERIMENTA bezieht sich auf inhalte und themen, auf das aufnahme- und wiedergabematerial, die verarbeitungs- oder weiterbearbeitungstechniken, alte wiederbelebte oder neu entwickelte techniken, auf randbereiche der fotografie, und, und, und…

 

 

hans ortner   arbeiten auf Papier 
ausstellungsdauer:  13.11 - 06.12.2015

aus der eröffnungsrede von wolfgang brenner:

Zunächst möchte ich mich bedanken: bei Renate Ortner, die uns, das sind Dagmar Venus und ich, freie Hand in der Auswahl der Arbeiten gab. So hatten wir Einblicke in das umfangreiche Archiv des 1994 verstorbenen Künstlers Hans Ortner.

Doch nun zu unserer Ausstellung in der galerie@19.
Goethe bereiste Italien und halb Europa.
Gabriele Münter und Wassily Kandinsky reisten 1905 nach Tunesien in der Hoffnung, dort ihre außereheliche Liebesbeziehung sanktionsfrei ausleben zu können; 
Paul Klee und seine Malerkollegen zeigten sich auf ihrer Tunis-Reise vor allem von den neuartigen Licht- und Farbverhältnissen fasziniert. Im gleichen Jahr, 1914, unternahm Max Slevogt eine Reise nach Ägypten. Pechstein fand auf den Palau-Inseln sein Südsee-Paradies à la Gauguin; Ebenso zog es Emil Nolde dorthin.
Was all diese denkbar heterogenen Künstlerpersönlichkeiten verbindet, ist ihre Reisetätigkeit auch über die Grenzen Europas hinaus – dies jedoch aus ganz unterschiedlichen Motivationen. Für den einen war es ein neues Gefühl der Freiheit, auszubrechen aus dem biederen Europa. Für den anderen ist es der Gang über den Basar mit seinen prachtvollen Farben und dem Gewimmel der Menschen, sich inspirieren zu lassen von den Dingen, von der Landschaft, von der Luft und dem Licht. Auch ich bin als Künstler bisher (und ich hoffe das ändert sich nicht) sehr viel unterwegs gewesen: Asien, Amerika, viele Länder Europas habe ich bereist. Auch hier sind viele Arbeiten entstanden: einzelne Zeichnungen, kleine Reisetagebücher mit Collagen aus Fundstücken.

Was eine Reise nicht ist – und das kann ich für mich bestätigen – gilt aber auch für die eben genannten Künstler: Sie ist keine Inspirationsquelle für entscheidende Stilentwicklungen oder Brüche im Werk. Die stilistische Entwicklung bis hin zur Abstraktion fand vorher statt. Das zumindest wird durch die Kunstgeschichte belegt. So war die Tunesienreise von Kandinsky und Münter nicht der entscheidende Schritt bei der Erarbeitung eigenständiger avantgardistischer Positionen, und auch Max Slevogt wurde durch seine Erlebnisse in der ägyptischen Wüste nicht zu einem anderen Maler.

Aber was hat den nun die Reise für eine Bedeutung für den Künstler: Suchen wir das Fremde, was wir zu Hause nicht finden oder versuchen wir das eigene Ich zu entdecken? Für meine Person kann ich sagen: Ich habe das Malen auf Reisen immer als eine Art Tagebuch verstanden. Stärker, emotionaler als ein Foto, das schnell gemacht ist. Für eine Collage oder eine Zeichnung setzt man sich hin, beobachtet, sinniert, beginnt mit einem Strich, setzt Farbe hinzu: es ist ein anderes Erleben, ein intensiveres Eintauchen in das Gesehene. Dies könnte auch Hans Ortners Intention gewesen sein. Alle Arbeiten hier sind auf Reisen entstanden. Entweder waren es private Reisen z.B. nach England oder in die USA oder Exkursionen mit Studierenden der Uni Paderborn.

Ich selbst habe einige Seminare bei Hans Ortner damals belegt: Zeichnen und Aktzeichnen. Leider war ich nie bei einer seiner Exkursionen dabei. Jedoch viele Erzählungen und Geschichten von diesen legendären Studienreisen z.B. nach Griechenland habe ich gehört.

Ich komme zurück auf unsere Ausstellung hier in der galerie@19:
wir sehen hier ausschliesslich Arbeiten auf Papier
– Aquarelle
– Acrylzeichnungen und -malerei
– Graphitzeichnungen und
– aus seinen künstlerischen Anfangsjahren Pastell- bzw. Ölkreide-zeichnungen.

Was mich persönlich an diesen Arbeiten fasziniert, ist die
– Offenheit
– Spontanität im Strich und der Pinselführung aber auch
– der Umgang und die Beziehung von Farbe und Linie.

All dies ist sicherlich auch der Maltechnik und natürlich dem Reisen geschuldet, welches ein schnelles und improvisierendes Arbeiten verlangt.

Zeichnung und Aquarell, also das, was wir hier sehen, sind eng miteinander verwandt. So gibt es die Pinselzeichnung oder die Kombination von Blei- oder Kohlestift und Aquarell, wobei der Bleistift durchscheint. Auch wird das Motiv häufig in einer stark vereinfachten Weise mit Linien, Strichen oder Farbflächen dargestellt. Das unterscheidet diese Techniken u.a. von der Malerei.
Offen, fast schon abstrakt wirken viele der Aquarelle, wo die Landschaft schemenhaft zart, fast durchscheinend dargestellt wird. Oder die beiden Arcrylarbeiten im ersten Raum, wo fast hastig, mit borstigem breiten Pinsel die Landschaften skizziert werden – im Gegensatz zu den Zeichnungen, bei denen häufig ein kräftiger, sicherer Strich oder Schraffuren dominieren. Das durchscheinende ist das Wesen der Aquarellfarbe. Nicht deckende Wasserfarben aus feinen Farbpigmenten und einem Bindemittel werden in lasierenden Schichten übermalt. Gegenüber anderen Techniken, z.B. der Arcylmalerei oder der Gouache scheint der Maluntergrund durch. Farbmischungen entstehen i.d.R. durch Überlagerungen der transparenten Malschichten. Weiß entsteht durch die Aussparung der Farbe.

Wie Anfangs erwähnt: die Arbeiten sind auf Reisen entstanden, meist, wie wir bei genauerem Hinsehen feststellen, mit einem fülligen Pinsel, dazu Graphitstift, der mehr oder weniger kräftig eingesetzt wurde.
Wie können wir uns das Malen und Zeichnen auf Reisen vorstellen: man möchte und kann als Künstler nicht Unmengen an Material und Farben mit sich herumtragen. Der Platz für eine große schwere Staffelei ist begrenzt. Auch habe ich nur eine begrenzte Zeit, manchmal nur eine halbe Stunde, dann geht es weiter mit dem Reisen. So bieten sich die schon erwähnten Techniken an: schnell und spontan kann mit wenig Material- und Technikaufwand gearbeitet werden.

Ein kleiner Aquarellmalkasten, ein Malblock und etwas Wasser, ggf. ein kleiner Schwamm. Das ist alles, was ich als Maler auf Reisen benötige.
Doch Vorsicht: auch wenn die Arbeiten spontan zu sein scheinen: Hans Ortner setzte seine Linie, einen Strich ganz bewußt. Er wusste, wo die Linie beginnen, wo sie enden soll. Auch die Farbflächen werden bewußt gesetzt. Das heißt, ein Bild oder ein Bildausschnitt ist häufig schon vorher im Kopf zurechtgelegt.

Viele der hier zu sehenden Arbeiten von Hans Ortner wirken auf den ersten Blick fast abstrakt aber dennoch sehr differenziert. Sie vermitteln mir auch noch heute das Atmosphärische der Umgebung – die Hochhausschluchten in New York, die Regenwolken über Irland, die Balkonaussicht auf das Meer, lassen mich Wind, Wasser, die Brandung oder die Hitze spüren – sozusagen miterleben.

Lassen sie sich ein auf eine Reise zu unterschiedlichen Orten und spüren sie deren Atmosphäre auf.

 

 

 

wolfgang brenner
ausstellungsdauer:  07. - 23.12.2014

aus der eröffnungsrede von dr. alexandra sucrow:

Die Kunst von Wolfgang Brenner wirkt auf den ersten Blick ganz still: kaum Farbe, großzügige Formen, wenig Details. Dafür geschriebene Botschaften – der dargestellten Personen, die beschließen: „Heute werde ich nichts tun“ oder feststellen „Langsam verblasst meine Vergangenheit“ oder Kommentare über das Dargestellte. Und dann plötzlich, bei dieser näheren Betrachtung, werden die Bilder lebendig und beginnen mit uns zu sprechen. Wir lesen die Satzfragmente, fügen sie zu Sätzen zusammen, versuchen sie zu ergründen und in einen sinnvollen Zusammenhang zu bringen mit der offensichtlich zugehörigen Darstellung. Doch auch diese ist fragmentarisch, zusammengefügt aus einem Stück Foto, einem Fetzen Papier, einer vom Künstler angefügten Fortzeichnung, bzw. gemalten Passage, teils verdeckt, oder – im Gegenteil – mit einem Klecks der so sparsam verwendeten Farbe – Rot oder auch mal Gold – akzentuiert und schließlich auch noch mit geheimnisvollen Kürzeln – A, B, F – versehen, die wer weiß was für Orte oder Standpunkte bezeichnen. „Was ich sehe, ist die Flüchtigkeit der Vergangenheit“… „We are all hidden“. Und nun, da wir alles in uns aufgenommen und festgestellt haben, dass nirgendwo eine Auflösung des Rätsels für uns bereitliegt, nun beginnen wir, nachzudenken, uns etwa in die DDR-Jugendlichen hinein zu fühlen, die mit all’ ihren Hoffnungen und Wünschen, aber völlig ahnungslos auf eines der wichtigsten historischen Ereignisse ihrer Geschichte hin leben; wir denken nach über Geschehenes, über die Flüchtigkeit der Vergangenheit und ihre Bedeutung für Gegenwart und Zukunft; wir denken nach – einmal, vielleicht auch mehrmals, wie die Arbeit „Don’t think twice“ mit der vielleicht zu offensichtlich flüchtig handschriftlich ergänzten Verneinung zur Diskussion stellt.

 

wolfgang stratmann

 

 

aus der eröffnungsrede von dr. alexandra sucrow:

Ganz lebendig geht es in der Arbeit des gelernten Bühnenbildners, studierten Kunsthistorikers und inzwischen pensionierten Lehrers Wolfgang Stratmann zu. In verschiedenen Drucktechniken bringt er bildreiche Motivsammlungen collagengleich zu Papier, probiert immer neue Verfahren und Kompositionen aus und schafft so Bildreihen, die es auf Unterschiede und Gemeinsamkeiten genauestens zu untersuchen lohnt. Hoch- und Tiefdruck, Radierung, Holzschnitt, Klischee oder Siebdruck – jedes Verfahren hat seinen besonderen Charakter, seine individuelle Ästhetik und eine jeweils spezielle Eignung für bestimmte Zwecke in Kunst und Medienindustrie, wovon Wolfgang Stratmann kompetent und interessant zu erzählen weiß. Doch auch seine Arbeiten erzählen – meist kleinteilig und immer spannend komponiert – fast wie Bildergeschichten oder Comics von dem, was ihren Schöpfer besonders interessiert: von Schiffen und Eisenbahnen, die sich durch die Bilder bewegen, von Musik, die – wie die Beatles-Songs „Strawberry fields“ oder „Yellow submarine“ etwa – die Darstellungen inspiriert. Und immer wieder werden die Kompositionen nochmals überdacht, werden Details verändert, weggenommen, hinzugefügt und ein weiterer Druck angefertigt – in der gleichen Technik oder doch noch einmal in einer anderen. Wolfgang Stratmann ist ein Forscher, ein Freund des Experimentes und der Entwicklung. Doch arbeitet er nicht auf das eine Ziel zu, sondern sieht jeden einzelnen Zustand als ein wichtiges und für sich eigenständiges Ergebnis, ein vollendetes Werk.

 

dagmar venus



 

aus der eröffnungsrede von dr. alexandra sucrow:

Spiegelungen sind das Thema, das Dagmar Venus uns heute mit ihren aktuellen Arbeiten präsentiert, das sie in Lagerhallen, in alten Fabrikanlagen und baufälligen Gebäuden, auf Schrottplätzen oder in verschiedenen Typen neuzeitlicher Architektur sucht und in digitaler Fotografie festhält. Ungewöhnliche Perspektiven und Durchblicke fordern unsere Augen, zwingen uns immer wieder, den Blick zu fokussieren, zwischen Schärfe und Unschärfe hin und her zu springen, das Gesamtbild stufenweise in die Tiefe hinein abzutasten. Glasscheiben und -scherben mit scharfen Brüchen werfen uns das Spiegel- bzw. Schattenbild der Fotografin selbst oder anderer Personen – den einzigen menschlichen Formen übrigens in den Bildern – entgegen, lassen dabei gleichzeitig den Durchblick auf Dahinterliegendes, manches Mal schemenhaft Verschwimmendes zu und bieten ein anspruchsvolles Seherlebnis. Gerade die Schärfen wirken sehr realistisch: Bei einem Bild scheint das Rahmenglas selbst, nicht das darunter fixierte fotografierte Glas defekt, bei einem anderen treten die fotografierten Glassplitter so plastisch hervor, dass eine abdeckende Rahmung unmöglich und daher auf den ersten Blick gar nicht vorhanden scheint. Tatsächlich wird die Rahmung der Fotoarbeiten manches Mal zu einem ersten Fenster auf dem Weg des wandernden Blickes in die Tiefe und damit Teil der Komposition. Und auch wenn sich hier einmal eine Tomatenstaude im Gewächshaus, dort ein mehrstöckiges Gebäude identifizieren lässt: Wichtig scheint mir nicht, was wir sehen, sondern wie wir es optisch wahrnehmen.